In loser Folge werden in diesem Blog Auszüge aus dem Buch „Bildung und Medien – Was Eltern und Pädagogen wissen müssen“ veröffentlicht, damit Sie für die Debatte um die Einrichtung eines Schulfachs Medienbildung einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Die Erkenntnisse sollten in die Diskussionsgrundlagen einbezogen werden, denn der Trend – Medienbildung auf Digitalisierungsfragen zu reduzieren – ist aus demokratietheoretischer Sicht problematisch. (Sabine Schiffer)
Einleitung
Medienerziehung beginnt lange vor dem Einsatz erster Medien und spätestens mit der Wahl des ersten Bilderbuchs. Das wird heute oft vergessen, wenn von Medienpädagogik oder Medienbildung gesprochen wird. Vor allem aber kann man davon ausgehen dass, wenn von Medienkompetenz die Rede ist, in den meisten Fällen nur noch an Medieneinsatz gedacht wird und technische Fähigkeiten gemeint sind. Das ist viel zu wenig einerseits und selbstverständlich andererseits. Zu einer umfassenden Medienbildung gehört viel mehr als nur Geräte- oder Softwarewissen. Wenn man nämlich zu früh auf die technischen Varianten setzt, wird die umfassende (Medien-) Bildung eher behindert statt gefördert – wie inzwischen vorliegende Langzeituntersuchungen nachweisen.
Im Interesse der Medienindustrie ist es aber, Medientechnik zu verkaufen. Und so wird nicht wenig Geld in Werbung für eine Medienpädagogik gesteckt, die nur darum das Paradies auf Erden versprechen kann, weil sie bisher nicht überprüft wurde. Gehen wir also von den Fakten aus, anstatt auf Heilsbotschaften einer interessierten und finanzstarken Lobby zu vertrauen, die nicht wenige „Wissenschaftler“ für sich sprechen lässt. Dass viel Geld für deren Forschung aus der IT-Branche selbst stammt, erklärt die einseitige Ausrichtung vieler medienpädagogischer Angebote.
Wer aber kann sich der Suggestionskraft von Schlagwörtern wie „Bildungspolitik“, „Bildungschancen“, „Medienbildung“, „Medienpädagogik“, „Medienkompetenz“, „social networks“ und dergleichen entziehen und dem (Bildungs-) Medium Computer nicht all die schönen Dinge, die ihm nachgesagt werden, auch zutrauen? Fast täglich werden wir über neue Projekte und Anwendungsbereiche betreffend einer „Bildungslösung“ informiert, ermöglicht allein durch das Medium an sich. Medien sind aber unschuldig, sie sind weder Heilsbringer am Bildungshimmel noch das Gegenteil. So gibt es durchaus gute Lernsoftware. Nur machen wir immer wieder die Erfahrung, dass diese oft viel zu früh eingesetzt wird und lediglich dem Einstieg in die Computer-Welt dient – und viele Schüler dann doch bei zeitraubenden oder anders kontraproduktiven PC-Aktivitäten landen. Und wir haben die Erfahrung gemacht, dass die angepriesenen Konzepte zur Förderung von Medienkompetenz nicht das halten, was sie versprechen – sie führen nämlich nicht automatisch dazu, dass Kinder und Jugendliche und auch Erwachsene das unterlassen, was schädlich für sie ist und Medien ausschließlich im angekündigten Sinne nutzen.
Da der Gebrauch jedoch mit über die Bildung, die Zukunft unserer Kinder und schließlich auch die der Gesellschaft entscheidet, ist es dringend an der Zeit, eine ehrliche Debatte über die teilweise gut gemeinte, teilweise fahrlässig oder bewusst falsch vermittelte Medienpädagogik zu führen. Denn (medien-) kritische Bürger sind wichtig für ein demokratisches Gemeinwesen.
(aus: Kapitel 1 von Sabine Schiffer „Medien und Bildung“)