Kleine Kinder lernen alles, was sie durch Anschauung am Rechner vorgeführt bekommen, auf andere Art besser: Formen, Farben, Begreifen, soziale Kompetenzen und eben gerade die Sprache, die das spiegelnde menschliche Gegenüber erfordert – je jünger das Kind, umso mehr. (…) Wenn Kinder auf Grund eines überbordenden Angebots ständig „Antworten auf nicht gestellte Fragen“ erhalten, dann wird Neugier, Ausdauer und Interesse am Hinterfragen von Zusammenhängen abgebaut.8 Wichtige reflektierende Kompetenzen werden so nicht oder nur schwer erworben. Bildschirmangebote im Vorschulalter machen nachweislich nervöser, lassen den Kindern aber nicht unbedingt die gewünschten Inhalte zu teil werden. Aber auch gedruckte Bilder können kontraproduktiv eingesetzt werden – auch hier gilt, nicht das Medium an sich bringt Heil oder Unheil, sondern sein Gebrauch, und den müssen zunächst Erwachsene steuern.Geht es uns um die Bewusstmachung von dem, was wir tun, dann sollten wir mit der Auswahl von Bilderbüchern bereits den Blick dafür schulen, was wir an die Kinder herantragen: etwa fotorealistische Darstellungen oder Disney-Comics, moderne oder traditionelle Zeichnungen etc. Je nachdem bietet man durch die Wahl einzelner Motive bestimmte ästhetische Richtungsweisungen an. Außerdem weiß man, dass ein Bild die Fantasie sehr befördern kann, wenn es als Grundlage für das Ausschmücken von Geschichten im Gespräch dient. Jedoch bereits Bilderfolgen – etwa in Bildbänden – schränken die Fantasie ein, weil sie Vorgaben machen, wo noch die eigene Kreativität der Kinder gefordert und damit gefördert werden könnte. Hier zeichnet sich bereits der Grundsatz der vorgeschlagenen (Medien-)Erziehung ab: Weniger (Material) ist mehr!Bereits mit der Wahl der ersten zu betrachtenden Bilder bietet man piktografische Gewohnheiten an und die weitere Auswahl wird mitentscheiden, ob das Kind später mehr Tiere oder Pokémons kennt. Als Eltern, Großeltern, Pädagogen entscheidet man sich beim Kauf eines Bilderbuchs für bestimmte Ikonografien, die bereits Vorlieben für bildelektronische und andere Medienangebote nahelegen können. Bilder können fantasiefördernd, aber auch fantasiereduzierend wirken. Jeder kennt das: Liest man eine Geschichte erst, nachdem man die Figuren im Film gesehen hat, so sind die Charaktere festgelegt. Einmal gesehene Bilder wird man nicht mehr los. Gerade die wertvollen Effekte des Vorlesens werden durch die heutige Bilderflut gefährdet, Vorstellungskraft und eigene Anstrengung abgebaut.Insofern sind so manche bunte Leporellos für die Kleinsten ebenso zu überdenken wie die entsprechenden Zeichentrickfiguren an den Bildschirmen. Der Tendenz, dass auch Printprodukte immer bunter werden, stehen Ergebnisse der Wahrnehmungsforschung gegenüber: In der Lese- und Schulbuchforschung wurde etwa festgestellt, dass die vielen bunten Symbole auf den Seiten der Lehrbücher keinen positiven Effekt auf das Lernen haben, sondern eher die strukturierte Wahrnehmung erschweren. Auch für andere Bereiche gilt das, wenn man sich nur mal die völlig überladenen Websites, die angeblich für Kinder geeignet sein sollen, ansieht (z. B. blinde-kuh.de, barbie.de).
aus: Kapitel 2 von Schiffer, Sabine (2013): Bildung und Medien. Was Eltern den Pädagogen wissen müssen.